AdobeStock - Charlie's

© AdobeStock - Charlie's

Nachdem im Frühjahr 2022 infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine die Energiepreise in die Höhe schießen, wird für viele Unternehmen die Frage immer drängender, wie sie sich unabhängiger von stark schwankenden Energiepreisen machen können. Diese Frage verliert auch angesichts des Umstiegs von den fossilen Energieträgern Kohle, Gas und Öl auf regenerative Quellen wie Sonnen- und Windkraft nichts von ihrer Dringlichkeit. Denn diese Transformation ist auch mit einem Mehrbedarf an Strom verbunden, etwa für die Elektromobilität. Hinzukommen die Ziele der Bundesregierung, die eine Treibhausgasneutralität Deutschlands bis 2045 anstrebt sowie der Europäischen Union, die mit dem „Green Deal“ eine Klimaneutralität der Mitgliedsstaaten bis 2050 beabsichtigt. Erreichbar sind diese Ziele nur, wenn auch die Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen reduzieren. Eine der zentralen Antwort sowohl auf die Frage, wie Unternehmen unabhängiger von Energiepreisen werden als auch, wie sie ihren Beitrag zur angestrebten Klimaneutralität leisten, ist die Steigerung ihrer Energieeffizienz. Denn wer weniger Energie verbraucht, muss weniger für sie bezahlen und setzt zugleich weniger Treibhausgas frei.

Die Digitalisierung bietet sich hierfür als ein bislang noch wenig oder nicht in vollem Umfang genutztes Instrument an. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können sich mit digitalen Innovationen zudem Wettbewerbsvorteile verschaffen. Welche Innovationen zur Steigerung der Energieeffizienz für KMU infrage kommen, zeigen die nachfolgenden Beispiele.

Smart Building

Der Smart-Home-Markt wächst seit Jahren. Wurden 2017 noch rund 2 Milliarden Euro in Deutschland mit Smart-Home-Produkten umgesetzt, waren es 2022 bereits 6 Milliarden Euro, so das Statistik-Portal Statista. Ein Großteil dieser intelligenten Anwendungen findet sich in Privathaushalten wieder, etwa in Form von Anwendungen für die energieeffiziente Regulierung von Heizung, Rollläden oder Licht. Ihr volles Potenzial können Smart-Home-Anwendungen aber erst dann ausspielen, wenn alle elektrischen Geräte im Gebäude miteinander verknüpft, zentral bedient und aufeinander abgestimmt werden. Derartige Smart-Building-Konzepte zählen aber weder in Bestands- noch in Neubauten bislang zum Standard. Das gilt sowohl für privat wie geschäftlich genutzte Gebäude.

Dabei bietet die umfassende Vernetzung elektrischer Anlagen und elektronischer Geräte in Gebäuden für Unternehmen vielfältige Potenziale: Neben der Steigerung der Energieeffizienz ermöglicht sie ein neues Level an Sicherheit und Komfort in Büros, Geschäftsräumen und Industrieumgebungen. Ein gutes Beispiel dafür sind digitale Heizthermostate, die etwa automatische Heizzyklen, automatische Temperaturabsenkung durch das Erkennen offener Türen und Fenster, Fernsteuerung sowie die Überwachung über Webserver ermöglichen. Durch so optimierte Heizzyklen lassen sich gegenüber einer unflexiblen Temperaturregelung bis zu 25 Prozent der benötigten Heizenergie einsparen, während zugleich der Komfort steigt. „Im Gebäudesektor können beispielsweise relativ einfach 10 Prozent Energieeinsparung sowohl in Wohngebäuden als auch in Nichtwohngebäuden durch Monitoring-Lösungen erzielt werden”, bestätigt auch Dr. Marcus Rackel vom Kompetenzzentrum für Energieeffizienz durch Digitalisierung in Industrie und Gebäuden (KEDi) in unserem Interview zum Thema Energieeffizienz.

Erfahren Sie mehr zum Thema Smart Building beim Mittelstand-Digital Zentrum WertNetzWerke.

Intelligente Energiemanagementsysteme

Mit intelligenten Energiemanagementsystemen lässt sich die Energieeffizienz von Gebäuden noch weiter steigern. Sie vernetzten nicht nur alle Geräte des Betriebs miteinander, sondern sammeln mithilfe von Sensoren auch systematisch Daten zum Energieverbrauch und werten sie mit Künstlicher Intelligenz (KI) aus. Durch die Digitalisierung der Daten können Informationen über Verbräuche, Lastprofile, Energiefluss-Struktur, mögliche Lecks, die Energieeffizienz einzelner Geräte und Einsparpotenziale anschaulich gemacht und als Basis für Optimierungen herangezogen werden. Zudem lässt sich der Energieverbrauch viel einfacher planen und steuern. Sogar externe Akteure wie Messstellenbetreiber, Netzunternehmen und Energiedienstleister können mit in das Energiemonitoring und ein sogenanntes Smart Grid eingebunden werden.

Voraussetzung dafür ist, dass die Daten miteinander ausgetauscht und in den Systemen eingesetzt werden können. „Insbesondere im Industriebereich ist die Situation oft heterogen, da dort bereits eine Vielzahl an Datenquellen in unterschiedlichen Formaten existiert”, erklärt Diplom-Physiker Erik Förster vom KEDi. „Die Herausforderung besteht darin, diese Daten einzubeziehen und zu verarbeiten, und das mit einem vertretbaren Aufwand. Diese Aufgabe kann komplex sein, aber es gibt Bewegung am Markt. Standardisierungsbemühungen machen die Dinge transparenter und übersichtlicher.” Können Daten über verschiedene Anlagen und Geräte hinweg ausgetauscht werden, ermöglicht das zugleich den Zugriff auf größere Datenmengen. Das wird die Voraussetzung für den Einsatz von KI-Analysen geschaffen, mit deren Hilfe sich noch effektivere Energiesparergebnisse erzielen lassen. Synergien, Transparenz, Komfort und vor allem Ressourcenschonung sorgen auch hier für eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

Entdecken Sie in unserem Videobeitrag , wie das Mittelstand-Digital Zentrum Darmstadt ein KMU bei Umsetzung von umfangreichen Energiemonitoring-Maßnahmen unterstützt hat.

Process Mining

Auch beim sogenannten Process Mining geht es darum, große Datenmengen zu nutzen, um durch KI-basierte Analysen Optimierungspotenziale aufzudecken. Dabei werden über die Energienutzung hinaus sämtliche Geschäftsprozesse hinsichtlich ihrer Effizienz überprüft. Als besonders ergiebig hat sich dieses Modell bereits in der Industrie erwiesen. Hier erzielt Process Mining signifikant höhere Materialeffizienz und Energieeinsparungen. Die Technologie kann jedoch auch in vielen anderen Branchen eingesetzt werden. Auf Basis einer soliden Datengrundlage sowie digitalen Geschäftsprozessen ermöglicht der Technologieansatz eine datengestützte Analyse von Prozessen in Echtzeit und eine systematische Aufbereitung von Ergebnissen in übersichtlichen Grafiken und Statistiken. Die identifizierten Optimierungspotenziale geben klar vor, wo und wie Unternehmen Ressourcen, Zeit und Energie einsparen können.

Erfahren Sie in unserem Praxisbeispiel, wie das Mittelstand-Digital Zentrum Hamburg (ehemals Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum) einen Logistikdienstleister dabei unterstützt, Prozesse zu optimieren und sowohl ein neues Pricing Tool als auch ein Transportmanagementsystem einzuführen.

Einfache Energiesparinvestments mit großer Wirkung

  • Einbau von energieeffizienten Fenstern und Türen
  • Hydraulischer Abgleich der Heizungsanlage und Optimierung von Heizpumpsystemen
  • Umstellung der Beleuchtung auf smarte LEDs
  • Ein Energieaudit von Expertinnen und Experten vornehmen lassen
  • In erneuerbare Energien wie Solarpanel für die Unternehmensdächer oder Solarthermieanlagen investieren
  • Betriebsinterne Abwärme von technischen Anlagen nutzen
  • Fahrzeugflotte um E-Antriebe oder auch Fahrräder ergänzen

Mehr Informationen zu den Potenzialen der verschiedenen Technologien erfahren Sie in unserem Experten-Interview.

KI-gesteuerte Bedarfsplanung

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, die mit knapp bemessenen Ressourcen arbeiten, sind akkurate Prognosen von zentraler Bedeutung, um zum Beispiel Warenverfügbarkeit zu optimieren, Kapitalbindungskosten zu minimieren und den Energieverbrauch möglichst gering zu halten. Die Komplexität eines dynamischen Umfelds, einschließlich saisonaler Schwankungen und unvorhersehbarer interner wie externer Faktoren, stellt dabei eine Herausforderung dar. Auch hier bieten KI-Algorithmen (ähnlich wie beim Process Mining) eine Lösung, indem sie digitale Geschäftsdaten mit beispielsweise historischen Daten, Wetter- oder Verkehrsinfos kombinieren, analysieren und Muster und Zusammenhänge lernen, um möglichst exakte Vorhersagen zu treffen. Ein Unternehmen muss demnach idealerweise nur so viel Energie und Ressourcen aufwenden, wie es tatsächlich benötigt, um die Kundschaft zufriedenzustellen – ob bei der Produktion, bei der Personalplanung oder bei der Energienutzung.

Erfahren Sie, wie das Mittelstand-Digital Zentrum Ilmenau eine Bäckerei dabei unterstützt hat, die Verkaufszahlen von Brötchen exakter zu bestimmen, Ressourcen zu sparen und Lebensmittelabfall zu verringern.

Predictive Maintenance

Ebenfalls große Ressourcen- und Energiefresser in vielen KMU: Maschinenausfälle, Reparaturen und Wartungsarbeiten. Predictive Maintenance (PM), also vorausschauende Wartung, die auf der kontinuierlichen Erfassung und Auswertung von Prozess- und Maschinendaten über Sensoren basiert, kann unerwartete Ausfälle verhindern und feste Wartungsintervalle durch Wartungen nach Bedarf ersetzen. PM lässt sich überall dort einsetzen, wo Produkt- und Prozessdaten erfasst, aufgearbeitet und ausgewertet werden. Maschinen laufen dank effizienter Überwachung kontinuierlich einwandfrei, können zu günstigen Zeitpunkten gewartet werden und verursachen so wenig Ressourcen-, Energie- und Kostenaufwand wie möglich.

Unser Anwendungsbeispiel des Mittelstand-Digital Zentrums Schleswig-Holstein zeigt, wie Sensorik- und Funktechnologie eingesetzt werden kann, um unter anderem die Kühlschmierstoffe des Maschinenparks stets im Blick zu behalten.

Unterstützung zum Thema Energieeffizienz: Weitere Anlaufstellen

Neben den Zentren im Netzwerk Mittelstand-Digital, die kleine und mittlere Unternehmen kostenfrei und anbieterneutral mit Know-how bei Digitalisierungsmaßnahmen unterstützen, bietet das Förderprogramm „Digital Jetzt“ von Mittelstand-Digital finanzielle Zuschüsse, um KMU zu entsprechenden Investitionen anzuregen. Auf Energiewechsel stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz außerdem Informationen zur Verfügung, um passende Fördermöglichkeiten für Unternehmen, Haushalte und Organisationen jeder Art zu ausfindig zu machen.